Von Prozesskostenhilfe spricht man, wenn eine finanziell minderbemittelte Partei vollständig oder teilweise von den Prozesskosten befreit wird. Die Prozesskostenhilfe ist in den
§§ 114 ff ZPO geregelt. Die Prozesskostenhilfe umfasst dabei nur die Kosten des eigenen Anwalts und die Gerichtskosten. D.h. wird ein Prozess, für den Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, verloren, muss die minderbemittelte Partei trotzdem die Kosten des Gegners tragen (§ 123 ZPO).
Prozesskostenhilfe können sowohl Kläger als auch Beklagter beantragen. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe kann sowohl vor als auch nach Klageerhebung gestellt werden, aber nicht mehr nach Abschluss des Hauptverfahrens. Er kann auch mit der Klage verbunden werden, die Klage wird dann nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe zugestellt (Thomas/Putzo, § 117 Rn. 4).
Für die Antragsstellung durch den Rechtsanwalt entsteht eine 1,0 Gebühr gemäß 3335 VV RVG. Diese kann als Vorschuss verlangt werden.
Für diese Gebühr kann keine PKH/VKH beantragt werden.
Wird PKH/VKH gewährt ist diese Gebühr anzurechnen. Ist sie dann schon gezahlt ist eine Erstattung an den Mandanten nicht möglich.
Von der Prozesskostenhilfe für die Anwaltskosten im Gerichtsverfahren ist die Beratungshilfe für die Anwaltskosten im außgerichtlichen Bereich abzugrenzen.
Voraussetzung für die Gewährung von Prozesskostenhilfe sind gemäß § 114 ZPO:
- Einschlägigkeit des Geltungsbereichs
- Bedürftigkeit der Partei
- hinhinreichende Erfolgsaussicht
- Keine Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung
§ 117 ZPO regelt in Abs. 2 S. 2 ein Einsichtsrecht der Gegenseite im Prozess/Verfahren.
Tatbestand | zugeordneter Freibetrag |
Parteien, die ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielen | 282 € |
Partei, Ehegatte oder Lebenspartner jew. | 619 € |
Freibetrag unterhaltsberechtigte Erwachsene | 496 € |
Freibetrag unterhaltsberechtigte Jugendliche vom Beginn des 15. bis zur Vollendung des 18. Lj | 518 € |
Freibetrag unterhaltsberechtigte Kinder vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lj | 429 € |
Freibetrag für unterhaltsberechtigte Kinder bis zur Vollendung des sechsten Lj | 393 € |
Die Prozesskostenhilfe wird regelmäßig auf den Zeitpunkt der wirksamen Antragstellung rückwirkend gewährt. Alle zu diesem Zeitpunkt fälligen oder entstehenden Gerichtskosten gelten als "gestundet", d.h. sind nicht mehr zu zahlen, das gilt auch für Vorschüsse. Gezahlt wird nur noch entsprechend des Prozesskostenhilfebescheids, soweit dieser Zahlungen anordnet.
Zu den Gerichtskosten zählen nach vertretener Ansicht auch die Kosten der Partei für die notwendige Rechtsverfolgung (Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe, 3. Aufl. Rn. 620 ff).
Bei der Beantragung ist zu beachten, dass die Bewilligung nur soweit wie beantragt wirkt. D.h. für Klageerweiterungen ist eine Erstreckung des Prozesskostenhilfe zu beantragen. Kommt es in der mündlichen Verhandlung zu einem Vergleich ist in der Verhandlung der Erstreckung auf den Vergleich und einen etwaigen Mehrvergleich zu beantragen.
Ob und wie weit Reisekosten des Anwalts von der Kostenerstattung erfasst sind, hängt von der Beiordnung ab.
Wird die Beiordnung nicht eingeschränkt, d.h. fehlt der Zusatz:
"Zu den Bedingungen eines am Sitz des Gerichts ansässigen Rechtsanwaltes"
sind die Fahrtkosten voll zu erstatten.
Ist Beiordnung eingeschränkt, so sind für einen Anwalt aus dem Bezirk des Gerichts die Reisekosten voll zu erstatten. Für einen Anwalt außerhalb sind sie zu deckeln auf den Betrag den ein Anwalt aus dem Bezirk bekommen würde, dabei ist auf einen maximal entfernt sitzenden Anwalt abzustellen (OLG Frankfurt ...).
BGH: Beschluss vom 09.06.2010 - XII ZB 55/08: "Zum Einsatz einer Kapital-Lebensversicherung im Rahmen der Prozesskostenhilfe"
Gegen die Ablehnung der PKH durch das AG oder LG in erster Instanz ist gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 567 ZPO das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben, die Notfrist beträgt hier aber einen Monat (§ 127 Abs. 2 S. 3 ZPO). Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts kann zusätzlich Gegenvorstellung eingelegt werden. Im übrigen kann auch ein neuer Antrag auf PKH gestellt werden (Zöller/Philippi ZPO § 127 Rn. 44).
Gegen eine PKH-Entscheidung des LG in zweiter Instanz oder des OLG in erster oder zweiter Instanz ist eine sofortige Beschwerde nicht möglich
"Zwar sieht § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO gegen die Ablehnung eines Prozesskostenhilfegesuchs die sofortige Beschwerde vor. Dies gilt jedoch, wie allgemein anerkannt ist, nur nach Maßgabe der §§ 567 ff. ZPO. Nach § 567 Abs. 1 ZPO findet die sofortige Beschwerde nur gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amts- oder Landgerichte, mithin nicht gegen Entscheidungen des Berufungsgerichts statt." (OLG Düsseldorf Beschl. v. 16.08.2010 Az. I-24 U 54/10)
Das LG oder OLG kann aber eine Rechtsbeschwerde gegen seine Entscheidung zulassen (BGH Beschl. vom 31.07.2006 - II ZB 17/06).
Eine Aufhebung kommt gemäß § 124 ZPO in Betracht, wenn der Berechtige vorsätzlich oder aus grober Nachlässigkeit falsche Angaben bei Beantragung gemacht hat.
Verändern sich nach Bewilligung die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse kommt eine Veränderung der Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen gemäß § 120 in Betracht.
Erhält die Partei z.B. aus dem Verfahren einen Zugewinnausgleich muss sie diesen einsetzen, auch wenn sie davon ein Hausgrundstück erworben hat (BGH v. 18.7.2007 Az. XII ZA 11/07).
Andererseits kann eine Partei der PKH mit Ratenzahlung bewilligt wurde, bei Verschlechterung ihrer Einkommensverhältnisse eine Herabsetzung der Raten beantragen (§ 120 Abs. 4 ZPO).
Siehe unter Gebührentabelle VKH.
Die Gebühren richten sich bei gewährter Prozesskostenhilfe gemäß § 50 RVG nach einer eigenen Tabelle, die ab einem Streitwert von 3.000,- Euro von der Grundtabelle abweicht.
Für die Stellung des PKH-Antrages durch den Rechtsanwalt entsteht eine 1,0 Gebühr gemäß 3335 VV RVG. Diese kann als Vorschuss verlangt werden.
Soweit Berufung auf PKH-Basis eingelegt wird, ist darauf zu achten, dass in der Berufungsfrist der PKH-Antrag mit einer ordnungsgemäß und vollständig ausgefüllten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und allen notwendigen Belegen eingereicht wird. Andernfalls hat der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand keine Aussicht auf Erfolg, so dass der Antrag mangels Erfolgsaussichten insgesamt abzulehnen ist.
Bei teilweiser Gewährung von Prozesskostenhilfe und entsprechender Antragsrücknahme (d.h. soweit die Klage nicht von der Gewährung abhängig gemacht wurde) sind bereits entstandene Gebühren auf Basis der Wahlvergütung vom Mandaten zu erstatten. Davon sind Wahlvergütungsgebühren in Höhe der gewährten Prozesskostenhilfe abzuziehen.
Beispiel: B wird von A bei der Geltendmachung von Lohn vertreten. Insgesamt macht A für B 7.000,- geltend, er erhebt die Klage unabängig von der Prozesskostengewährung. Als das Gericht nach dem ersten Termin nur für einen Anspruch von 1.000,- Euro die PKH gewährt, nimmt A nach Rücksprache mit B die Klage i.H.v. 6.000,- zurück, im Übrigen wird ein Versäumnisurteil rechtskräftig.
Hier kann A mit dem Gericht nur eine 1,3 Verfahrens- und eine 1,2 Terminsgebühr aus 1.000,- abrechnen (= 276,-). Die Differenz aus den Gebühren aus 7.000,- (= 1029,35) und den Wahlgebühren aus 1.100,- (= 276,-) i.H.v. 948,92 muss A mit B abrechnen.
Wird die PKH auf Raten gewährt, muss der Antragsteller die festgesetzten Raten für maximal 48 Monate maximal aber bis zur Deckung aller Kosten leisten.
Das BVerG hat am 23.3.22 (Az. BvR 1514/21) entschieden, dass
"Nach Wiederholung seines fachgerichtlichen Vortrags hebt er hervor, dass er in seinem Prozesskostenhilfeantrag ergänzend auf das Verfahren vor dem Bundesgerichtshof und die dort gemachten Angaben und eingereichten Unterlagen verwiesen habe, was das Oberlandesgericht auch erkannt habe. Nach dem Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Februar 2020 - 1 BvR 1975/18 - genüge es, auf Unterlagen in früheren Rechtszügen und auf dort abgegebene Erklärungen Bezug zu nehmen, wenn die Verhältnisse insoweit unverändert geblieben seien. Werde ohne Berücksichtigung dieser Angaben Prozesskostenhilfe mit der Begründung abgelehnt, dass die Bedürftigkeit nicht hinreichend dargelegt sei, sei die Darlegungslast überspannt. Dies stelle einen eigenen Gehörsverstoß dar.
(...)
Das Oberlandesgericht hat die Anforderungen an die Darlegung der Bedürftigkeit überspannt und damit den Zugang zu den Gerichten übermäßig erschwert."
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