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Primäransprüche gehen mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens unter, dem Gläubiger bleibt sein Nichterfüllungsschaden den er als Insolvenzforderung geltend mache kann (§ 103 InsO).
Der Insolvenzverwalter hat aber gemäß § 103 Abs. 1 InsO ein Wahlrecht, bezüglich der Frage, ober er beiderseitig noch nicht vollständig erfüllte Verträge erfüllen oder deren Erfüllung ablehnen will. Lehnt er ab, so entsteht gemäß § 103 Abs. 2 InsO ein Nichterfüllungsanspruch, der an die Stelle der Erfüllungs- und Gewährleistungsansprüche tritt. Nimmt er die Erfüllung an, ist die Gegenleistung Masseschuld (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO).
Beispiel: Der Reifenhersteller Q GmbH verkauft an den Fahradhersteller F 10.000 Reifen für 5.000,- Euro. Es ist Zahlung nach Lieferung vereinbart. Bevor es zu der Lieferung kommt, wird auf Antrag eines Gläubigers über das Vermögen der Q GmbH die Insolvenz eröffnet. Damit entfällt zunächst der Lieferanspruch des F. Der Insolvenzverwalter hat nun die Wahl, ob er die 10.000 Reifen für 5.000,- liefern will oder nicht. Entscheidet er sich dafür, wird der Vertrag normal abgewickelt. Entscheidet er sich dagegen, wird F von seiner Leistungspflicht frei (§ 326 BGB) und hat einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung (§§ 280, 281 BGB).
Umstritten ist, wann dieser Anspruch entsteht und fällig wird und ob man mit ihm aufrechnen kann. Es wird vertreten, dass der Anspruch erst mit Anmeldung zur Insolvenztabelle entsteht und fällig wird (MünchKommInsO/Kreft § 103 Rn. 22). Entsprechend kommt eine Aufrechnung gemäß § 95 Abs. 1 S. 3 InsO nicht in Frage.
Der Zeitpunkt der Fälligkeit eines Anspruch nach § 103 Abs. 2 und die Frage ob man mit ihm aufrechnen kann, sind umstritten. Es wird vertreten, dass der Anspruch erst mit Anmeldung zur Insolvenztabelle umgestaltet und fällig wird (MünchKommInsO/Kreft § 103 Rn. 22; Huber, MünchKommInsO, 2002 § 103, Rn. 193). Entsprechend kommt nach dieser Ansicht, unabhängig davon, ob hier eine Erfüllungsablehnung durch den Insolvenzverwalter vorliegt oder nicht eine Aufrechnung gemäß § 95 Abs. 1 S. 3 InsO nicht in Frage.
Nach anderer Ansicht entsteht der Anspruch mit Verfahrenseröffnung und kann gegen Masseforderungen aufgerechnet werden (MünchKommInsO/Brandes § 95 Rn. 17). Demnach kann unabhängig von der Erfüllungsablehnung des Insolvenzverwalters aufgerechnet werden.
Weiter wird vertreten, dass der Anspruch gemäß § 103 Abs. 2 InsO schon vorher als bedingte Forderung begründet ist und durch die Erfüllungsverweigerung des Insolvenzverwalters nur noch konkretisiert wird, so dass eine Aufrechnung möglich ist (Hess in Hess/Weis/Wienberg InsO, § 103 Rn. 155; Uhlenbruck-Berscheid InsO § 103 Rn. 88). Hier ist für die Konkretisierung/Fälligkeit die Erfüllungsablehnung des Insolvenzverwalters erforderlich.
Zweck des § 95 Abs. 1 S. 3 InsO ist nur die Insolvenzgläubiger zu schützen, die auf den Bestand ihrer nicht anfechtbar erlangten Aufrechnungsmöglichkeit vertraut und unter Umständen in diesem Vertrauen nichts zur Durchsetzung der Forderung unternommen haben. Ein solches Vertrauen liegt bei einem Insolvenzgläubiger, der erst durch und mit Eröffnung es Insolvenzverfahrens eine fällige Schadensersatzforderung erlangt hat nicht vor. Er konnte diese Forderung vor Insolvenz nicht durchsetzen und hat entsprechend auch nicht auf diese Durchsetzung vertraut. Daher widerspricht die Aufrechnungsmöglichkeit dem Zweck des § 95 Abs. 1 S. 3 InsO.
Auf der anderen Seite spricht eine Gesamtbetrachtung der Regelungen der §§ 95, 103 InsO nach ihrem Wortlaut für eine Aufrechenbarkeit. Die Schadensforderung des Gläubigers nach § 103 Abs. 2 InsO wurde mit Eröffnung des Insolvenzverfahren fällig. § 95 Abs. 1 S. 3 InsO verlangt für den Ausschluss, dass die Masseforderung nach Eröffnung des Verfahrens vor der Insolvenzforderung fällig und durchsetzbar geworden sein muss. Durch das Entstehen der Insolvenzforderung mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegt aber zum Zeitpunkt der Eröffnung Gleichzeitigkeit vor.
Diesem Schluss kann man nur entgehen, wenn man, wie Kreft und Huber annimmt, dass die Insolvenzforderung nicht mit Eröffnung des Verfahrens, sondern erst mit Anmeldung zur Tabelle nach einer Erfüllungsablehnung durch den Insolvenzverwalter fällig wird (MünchKommInsO/Kreft § 103 Rn. 22; Huber, MünchKommInsO, 2002 § 103, Rn. 193). Dafür spricht zwar grundsätzlich der Zweck von § 103 Abs. 2 InsO und die Regelung, dass der Nichterfüllungsschaden gemäß § 103 Abs. 2 InsO nur als Insolvenzgläubiger geltend machen kann, fraglich ist aber, ob sich dogmatisch ein Ansatzpunkt bietet, um das spätere Fälligwerden zu begründen. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind nach allgemeiner Ansicht, alle Erfüllungsansprüche erloschen. Damit entstehen Schadensersatzansprüche, z.B. wegen notwendiger Deckungskäufe oder frustrierter Aufwendungen. Schadenersatzansprüche werden gemäß § 271 Abs. 1 BGB grundsätzlich sofort fällig. Die später durch Erfüllungsablehnung entstehende Umgestaltung kann daran nichts mehr ändern. Entsprechend ist eine späteres Fälligwerden nicht begründbar und der Insolvenzgläubiger hat die Möglichkeit zur Aufrechnung mit wegen Nichterfüllung entstehender Schadensersatzforderungen.
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